Schulden – die ersten 5000 Jahre
Du schuldest mir Dein Geld Dein Leben
Aus der Ankündigung des Stuttgarter Schauspiels:
Von den vorantiken Gesellschaften über das Mittelalter bis hin zu den Bürgerprotesten der jüngeren Vergangenheit waren es Schuldenberge, die Menschen in die Unterdrückung und in die Revolte trieben. David Graeber,der gern im Zusammenhang mit der Occupy-Bewegung als “Vordenker” bezeichnet wird, hat dieser wechselvollen Geschichte aus Überschuldung und Empörung ein Buch gewidmet, das radikal mit der Scheinmoral des Börsenkapitalismus bricht.
In einem weiten historischen Bogen sondiert es die Wurzeln und Schauplätze unseres Finanzsystems: die Silberminen der Antike, die Goldkeller der Federal Reserve, die Schlachtfelder der Rohstoffkriege und die Irrgärten der internationalen Währungsbürokratie. An all diesen Orten kommen Zeugen zu Wort: Banker, Kriegsherrn, Pharaonen, Historiker, Bürgerrechtler, Opfer, Täter, Profiteure. Sie alle berichten vom System einer Schuldenwirtschaft, das angesichts schwindender Ressourcen und wachsender Ungleichheit weltweit vor seinem Kollaps steht.
David Graebers Buch Schulden erschien 2011 in New York und stieß auch in Deutschland auf große Resonanz. In Freiburg und Stuttgart wird das „Sachbuch des Jahres“ zum Ausgangspunkt einer besonderen Koproduktion: der Regisseur, Performer und Autor Andreas Liebmann bringt den Stoff in einer mit Schauspielstudenten realisierten Projektarbeit auf die Bühne.
Graeber zerlegt auf 400 Seiten unhinterfragte Vorstellungen von Schuld und Schulden und zeigt, was Schulden bedeuten könnten: der Kitt des Zusammenlebens. Was Schulden geschichtlich aber auch bedeuten: Gewalt, Entmenschlichung, Sklaverei. Eine Verbindung von akribischer Recherche mit großspuriger Behauptung. Der großangelegte Wurf hat epische Aspekte. Deswegen muss er auf die Bühne.
Was Andreas Liebmann am Schauspiel Stuttgart als Koproduktion mit dem Theater Freiburg und mit Schauspielschülern der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst Stuttgart erarbeitet hat, eine szenische Umsetzung der Überlegungen des Occupy-Aktivisten David Graeber, ließe sich in die modische Strömung der “Stückentwicklung” einordnen oder auch als spätes Exemplar des Agitprop. Die Realisierung freilich beweist, dass es in dem Genre große Unterschiede gibt. Keine Nabelschau, kein Exhibitionismus der Gefühle, sondern eine thematisch wie formal überzeugende Inszenierung, die intellektuelle Durchdringung und sinnliche Darbietung zu einer Einheit verschmilzt und das Publikum einbezieht, ohne es zu drangsalieren – auf dem Nebenspielplatz eher beiläufig angeboten und unter Gebühr gewürdigt.
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